rbb-Praxis: Kardio-CT oder Herzkatheter

Am 26.04.2017 zeigte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) live eine Herz-CT-Untersuchung aus der Charité Berlin. Als Experte vor Ort war Prof. Dr. Marc Dewey vom Institut für Radiologie und Neuroradiologie Campus der Charité Mitte.

Jedes Jahr finden in Deutschland knapp 900.000 Herzkatheter-Untersuchungen statt. Ein teurer Eingriff, der nicht ohne Risiko ist. Doch welche Methode könnte den Herzkatheter ersetzen? Große Hoffnungen verbinden sich mit einer Computertomografie des Herzens. Welche Chancen bietet dieses Verfahren wirklich? Und in welchen Fällen bleibt der Herzkatheter unverzichtbar? Die rbb Praxis ist live bei einem Herz-CT in der Berliner Charité dabei.
 
Die Herzkatheter-Untersuchung ist ein operativer Routineeingriff, bei dem die Herzkranzgefäße von innen dargestellt werden. Dabei führen Kardiologen zunächst einen Führungsdraht in ein arterielles Blutgefäß in der Leiste oder am Handgelenk ein. Unter ständiger Röntgenkontrolle wird dieser Draht dann in das Herzinnere und die angrenzenden großen Gefäße vorgeschoben. Anschließend nutzen die Ärzte diesen Draht als „Schiene“, um darüber den eigentlichen Katheter, einen zwei Millimeter dicken Kunststoffschlauch, bis ins Herz zu schieben. Über den Katheter können die Mediziner Ablagerungen in den Gefäßen feststellen, die das Gefäß einengen. Sie können aber gleichzeitig auch mehrere weitere Untersuchungen vornehmen: die Druckmessung in den Herzkammern, eine Kontrastmitteldarstellung der Herzkranzgefäße und Herzkammern oder die Messung der Sauerstoffsättigung.
Der Katheter vereint Diagnostik und Therapie Der größte Vorteil dieses diagnostischen Verfahrens ist der potentiell therapeutische Einsatz: Finden Ärzte während der Untersuchung gefährliche Engstellen (Stenosen), können sie an Ort und Stelle Stents einbringen, welche die Arterien aufdehnen und wieder einen ungehinderten Blutfluss ermöglichen. Bei Stents, auf Deutsch auch Gefäßstütze genannt, handelt es sich meist um ein kleines Gittergerüst in Röhrchenform aus Kunstfasern oder Metall.
Eine Katheteruntersuchung wird empfohlen, wenn es den Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung (KHK) mit verengten Herzkranzgefäßen gibt. Meist klagen die Patienten über unklare Brustschmerzen. Das Problem: Brustschmerz ist längst nicht immer die Ursache für verengte Herzkranzgefäße, sondern kann viele andere Ursachen haben.

In Deutschland kommt der Herzkatheter in großem Stil zum Einsatz – und durchschnittlich dreimal häufiger als in manch anderem Land. Jedes Jahr finden in Deutschland knapp 900.000 Herzkatheter-Untersuchungen statt. In Europa werden jährlich etwa 3,5 Millionen Herzkatheter gelegt. Der häufige Einsatz des Herzkatheters ist hierzulande umstritten. Denn bei etwa jeder zweiten Untersuchung ergibt sich gar kein pathologischer Befund. Die Untersuchung lässt sich medizinisch häufig nicht begründen. Bis zu 60 Prozent der Katheter-Eingriffe führen zu keiner weiteren Behandlung. Die Untersucher finden keine Engstelle oder Ablagerungen.

Der Katheter birgt Risiken

Für die untersuchten Patienten wäre die Untersuchung also nicht notwendig gewesen. Sie haben unnötig Risiken auf sich genommen. So ist bei einer Herz-Katheter-Untersuchung teilweise ein Klinikaufenthalt von bis zu drei Tagen notwendig. Aber auch, wenn der Eingriff ambulant durchgeführt werden kann, muss der Patient danach etwa sechs Stunden möglichst bewegungslos liegen. Neben der Gefahr von Nachblutungen und Entzündungen an der Wunde können Studien zufolge schwere Komplikationen wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall auftreten, allerdings sehr selten. Häufiger kommt es während des Eingriffs zu Herzrhythmusstörungen, die aber meist ungefährlich sind. Vereinzelt sind sogar Todesfälle möglIch.

Das Herz-CT als Alternative

Seit Jahren suchen Experten daher nach einer schonenden, nicht invasiven Alternative, mit der sich einfacher feststellen lässt, ob ein Patient verengte Herzkranzgefäße hat. Eventuell könnte das die Computertomografie des Herzens sein. Der Arzt spritzt dabei über die Armvene ein Kontrastmittel – so lassen sich die Herzkranzgefäße exakt darstellen. Die Strahlenexposition für den Patienten ist beim Kardio-CT meist geringer als bei einer Herzkatheteruntersuchung. Die CT des Herzens wird ambulant durchgeführt und dauert für den Patienten etwa 15 bis 20 Minuten. Anschließend stellt der Radiologe am Computer den Befund.
Um eine möglichst scharfe Bildgebung zu erreichen, senken die Ärzte vor der Untersuchung den Puls des Patienten mit einem blutdrucksenkenden Medikament. Zudem werden sie an ein EKG angeschlossen. So kann das CT mit den Herzphasen des Patienten synchronisieren und scharfe Bilder vom schlagenden Herzen liefern. Anschließend wird das die genaue Körperregion, von der Schichtbildaufnahmen angefertigt werden, in einer Testmessung eingestellt. Schließlich erfolgt innerhalb von etwa zehn Sekunden die eigentliche Messung.

Auch das Herz-CT hat Vorteile

Das CT hat mehrere Vorteile: Kalkablagerungen und andere Unregelmäßigkeiten lassen sich in sehr frühen Stadien und eher als im Katheter entdecken. Mit dem CT lässt sich zudem die Umgebung des Herzens anschauen. Immer wieder entdecken Ärzte dabei auch relevante Nebenbefunde wie zum Beispiel Lungenkrebs oder eine Lungenembolie. Einziger, aber deutlicher Nachteil: Ergibt die CT-Untersuchung, dass die Kranzgefäße verengt sind, muss der Patient noch zusätzlich den Herzkatheter über sich ergehen lassen. Wenig ausgeprägte Ablagerungen werden zunächst medikamentös behandelt.
Um die Zahl der teuren Katheter-Untersuchungen auf die Zahl der notwendigen Eingriffe zu reduzieren, laufen international und auch an der Berliner Charité Studien. Sie sollen die genaue Zielgruppe für die Herzkatheter-Untersuchung und das Herz-CT ermitteln. Neben der Filterung der genauen Zielgruppe sollen die Studien zeigen, ob das CT eine genauso sichere Diagnose liefert wie die klassische Herzkatheter-Untersuchung.

Quelle: https://www.rbb-online.de/rbbpraxis/archiv/20170426_2015/herz-katheter-alternative-ct-computertomografie.html, 3.5.17, 14:00 Uhr