"Mit der strukturierten Befundung sind wir auf einem sehr guten Weg, unsere Qualität weiter zu verbessern"

Die Fallsammlung Herz-CT der AG Herz- und Gefäßdiagnostik, die auf der digitalen Lernplattform conrad der DRG abrufbar ist, wurde überarbeitet und mit strukturierter Befundung kombiniert. Warum eine Aktualisierung notwendig war und welche Vorteile die strukturierte Befundung bietet, erläutern die beiden Autoren PD Dr. Sebastian Reinartz, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, und PD Dr. Daniel Pinto dos Santos, Oberarzt an den Instituten für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Uniklinik Köln und am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

Die Fallsammlung Herz-CT der AG Herz- und Gefäßdiagnostik ist unter Ihrer beider Federführung überarbeitet worden – warum war die Überarbeitung nötig?

Dr. Reinartz: Die Bearbeitung der Fallsammlung war notwendig, weil sich insbesondere seit 2018 diverse Leitlinien geändert haben und damit die rechtfertigende Indikation neu überdacht und re-evaluiert werden musste. Dabei haben wir die Fälle, die schon vorher Teil der Fallsammlung waren, nicht verworfen, sondern mit den neuen Leitlinien und nach einem neuen Schema geupdatet. Überdies wurden weitere Fälle von neuen Autorinnen und Autoren aufgenommen. Die wesentliche Neuerung umfasst die angeleitete und strukturierte Befundung aller Fälle.

Welchen Mehrwert bietet die „neue“ Fallsammlung in der radiologischen Fortbildung gegenüber der vorherigen Fassung?

Dr. Reinartz: Der Mehrwert liegt darin, dass nun im Prinzip zwei Fallsammlungen vorliegen. Einerseits die Edu-Edition, die angeleitet die strukturierte Befundung verwendet und primär für Q1-Nutzerinnen und -Nutzer ausgerichtet ist. Das heißt, sämtliche Schritte, die man für eine strukturierte Befundung benötigt, werden peu à peu unter Zuhilfenahme von Fragen abgearbeitet. In jedem Schritt gibt es eine kurze Anleitung mit den wesentlichen Gedankengängen in dieser Auswertungsphase, zum Beispiel Feststellung der rechtfertigenden Indikation, der aktualisierten Vortest-Wahrscheinlichkeiten und einer diagnostischen Bildqualität des Koronarbaums. Neben Koronaranomalieerkennung und Stenosegraduierung wird insbesondere auf die Plaquebeurteilung fokussiert und die Verwendung der Vulnerabilitätskriterien wie Napkin-Ring-Zeichen, Niedrigdichteplaques etc. aktiv angewendet. Am Ende vergibt die Befunderin oder der Befunder die Klassifikation nach CAD-RADS, also das Coronary Artery Disease-Reporting and Data System. Dies bedeutet, dass ähnlich zu PIRADS die Werte 0 bis 5 vergeben werden. Die strukturierte Befundung ergibt sich hier kumulativ aus der Summe aller Antworten sowie der finalen Stratifizierung nach CAD-RADS. Neben der ausbildungsgetriebenen Edu-Version gibt es dieselben Fälle noch einmal zusätzlich in der „Compact-Version“ für fortgeschrittene Anwenderinnen und Anwender (Q2). Hier wird das „echte Leben“ simuliert und nur die Anamnese mitsamt aller üblichen Bildstapel zur Verfügung gestellt. Die Nutzerinnen und Nutzer arbeiten sich selbstständig durch den Fall und befüllen abschließend einen strukturierten Bericht mit Drop-down Menus, der sämtliche Auswertungspunkte der Edu-Version abdeckt. Dieser Bericht entspricht im Prinzip der Befundvorlage der DRG, die auch auf der Homepage unter www.befundung.drg.de frei zur Verfügung steht. Lediglich die für eine Fallsammlung unnötigen Informationen wie Datum der Voruntersuchung etc. wurden aus Praktikabilitätsgründen gestrichen. Aus demselben Grund wurden auch die Nebenäste der Koronarien weggelassen, um den Fallsammlungs-Bericht nicht zu überfrachten und ermüdende Clicks der Anwenderinnen und Anwender zu vermeiden. Denn: Jede Koronarie, im richtigen Leben der gesamte Koronarbaum, muss hinsichtlich Stenosegrad und insbesondere Plaquekonfiguration (verkalkt, nicht verkalkt, Vulnerabilitätszeichen) beurteilt werden. Ziel ist es, das strukturierte Befundungsschema einzuüben und sich mit diesem Instrument persönlich und in einem abgesicherten Umfeld vertraut zu machen.

Was definiert strukturierte Befundung und welche Vorteile bietet sie gegenüber Freitext-Befundungen?

Dr. Pinto dos Santos: Bei der strukturierten Befundung geht es darum, wegzukommen vom üblichen Befundungsstil, bei dem man einen frei formulierten Text zu einem Befund verfasst. Man arbeitet gewissermaßen tabellarisch, wodurch man sich möglichst klar und präzise festlegen muss. Das ist einer der entscheidenden Unterschiede und auch Vorteile: Bei der strukturierten Befundung ist man stärker dazu angehalten sich festzulegen. Natürlich kann es auch bei strukturierten Befunden Unschärfen geben. Aber insgesamt hat man klarere Befundformulierungen. Auch hätte man in Zukunft den Vorteil, strukturiert eingegebene Daten leichter auswerten und beispielsweise mithilfe von KI analysieren zu können. Das geht bei Freitext-Befundungen nicht oder nur eingeschränkt.

Warum eignet sich die strukturierte Befundung in der Herzdiagnostik gut und warum ist es wichtig, sie hier zu nutzen?

Dr. Pinto dos Santos: Es gibt einige Bereiche in der Radiologie, in denen sich strukturierte Befunde besonders eignen. Dazu gehört die Herzdiagnostik, weil man hier ein sehr umschriebenes Untersuchungsobjekt hat, bei dem es eine verhältnismäßig klar formulierte Fragestellung gibt, die sich dann meist genauso klar an Bildbefunden beantworten lässt. Aus dem Befund leitet sich dann eine klare Therapiekonsequenz ab. Immer wenn das gegeben ist, eignet sich die strukturierte Befundung besonders gut. Demgegenüber gibt es natürlich Fragestellungen, die extrem schwer zu strukturieren sind, zum Beispiel ein komplexer postoperativer Bauch. Auch ein Polytrauma-CT eignet sich nicht immer. Da muss man abwägen, wie viel Struktur man haben will und wie viel dann vielleicht für den Ablauf sogar hinderlich ist.

Verbessert die Kombination von Fallsammlung Herz-CT und strukturierter Befundung die Qualität der Fortbildung und so langfristig auch die Patientenversorgung?

Dr. Reinartz: Ja, ich denke schon. Wir spekulieren auf genau diesen Zusammenhang und es gibt dafür auch gute Gründe. Einerseits unterstützt die Struktur der Befundung eine systematische Analyse des Falls, wodurch alle wesentlichen Aspekte beleuchtet und evtl. Flüchtigkeitsfehler vermieden werden. Überdies bietet die strukturierte Befundung durch CAD-RADS eine befundangepasste Handlungsempfehlung an die Untersucherin oder den Untersucher, sodass insbesondere Einsteigerinnen und Einsteigern in diesen Themenbereich mehr Sicherheit über die Tragweite und die mögliche Therapie im betreffenden Fall geboten wird. Insofern beeinflussen wir durch die Kombination von Fallsammlung und strukturierter Befundung u.U. direkt die Qualität der radiologischen Fortbildung und Befundung.

Wie nehmen Sie die Akzeptanz und praktische Anwendung strukturierter Befundung im radiologischen Alltag wahr?

Dr. Reinartz: Die Akzeptanz der CAD-RADS-Klassifikation ist gerade bei jüngeren Radiologinnen und Radiologen relativ hoch, weil sie aus oben genannten Gründen Sicherheit vermittelt und ihnen dieser Ansatz aus anderen Themengebieten bereits vertraut ist. Bei den Zuweiserinnen und Zuweisern ist zu Beginn gelegentlich Aufklärungsbedarf und eine gewisse Übergangszeit nötig, um sich an diese Klassifikation zu gewöhnen. Ohne Einführung in die Thematik oder kurze Erklärung kann man Unverständnis generieren. Im Nachhinein überwiegen jedoch die Vorteile, dass die Befundübermittlung präzise und leicht überblickbar erfolgt. Einige sehnten diesen Modus bereits herbei.

Dr. Pinto dos Santos: Das war am Universitätsklinikum Köln, an dem ich bis vor kurzem hauptsächlich tätig war, genau der Fall. Dort hatten wir uns mit den Pankreas-Chirurginnen und Pankreas-Chirurginnen abgesprochen, dass wir strukturiert befunden wollen. Anfangs gab es einige Hürden, aber irgendwann war der strukturierte beziehungsweise tabellarische Befund für die Chirurginnen und Chirurgen so angenehm und selbstverständlich, dass ich öfter angerufen wurde, wenn ein nicht-strukturierter Befund durchgerutscht war. Die Akzeptanz auf der Seite der Zuweiserinnen und Zuweiser ist in den Fällen, in denen sich aus dem radiologischen Befund eine Therapieindikation ergibt, extrem hoch. Ich glaube, da müssen wir als Radiologinnen und Radiologen tatsächlich mehr liefern.

Wo findet man diese Befundvorlagen – sind diese standardmäßig in den IT-Systemen radiologischer Praxen oder Klinik-Abteilungen implementiert?

Dr. Pinto dos Santos: Diese Frage ist in zwei Teilen zu beantworten. Der erste Teil ist erfreulicherweise sehr einfach. Es gibt die schon erwähnte Seite www.befundung.drg.de. Da stehen alle Befundvorlagen, die wir mit der AG IT der DRG erarbeitet haben, zur Verfügung. Der zweite Teil ist leider schwieriger zu beantworten. Unglücklicherweise sind die Vorlagen nicht standardmäßig in den IT-Systemen, die wir nutzen, integriert. Ein paar Hersteller bieten Schnittstellen an oder den Service, diese zu übertragen. Das ist ein Thema, bei dem wir als AG IT aktiv sind und immer wieder die IT-Hersteller motivieren wollen, uns entsprechende Tools an die Hand zu geben. Am Universitätsklinikum Köln haben wir die Befundvorlagen letztlich als Textbausteine implementiert, weil es alles in allem so am einfachsten umsetzbar schien.

Zurück zur Fallsammlung: Tragen solche Fallsammlungen dazu bei, die Radiologie in einem stark umkämpften Feld wie der Herzbildgebung besser zu positionieren?

Dr. Reinartz: Ich glaube, es geht primär um die Patientenversorgung. Jede Ärztin und jeder Arzt, egal welcher Disziplin, treibt an, die Patientenversorgung bestmöglich zu optimieren. Mit der strukturierten Befundung sind wir auf einem sehr guten Weg, unsere Qualität weiter zu verbessern und transparent zu machen, auf welchem Qualitätsniveau wir uns bereits befinden. Wenn das auch berufspolitisch die Radiologie positioniert, so nehme ich das gerne in Kauf.

Abschließend noch eine Frage: Ist die strukturierte Befundung das Non-Plus-Ultra im Bereich radiologischer Befundung?

Dr. Reinartz: Die strukturierte Befundung ist ein wichtiger Schritt zu Transparenz und höherer Befundungsqualität. Es gibt aber auch „Untiefen“, die man kennen sollte. Ein Beispiel: Eine Patientin oder ein Patient mit einem bislang unbekannten Vorhof-Thrombus, aber ohne koronare Herzkrankheit, würde im Endbefund CAD-RADS 0 erhalten. Natürlich ist der Thrombus unter „Vorhofpathologie“ vermerkt. Wenn die Zuweiserin oder der Zuweiser ausschließlich die CAD-RADS Klassifikation beachtet, bleibt der pathologische Hauptbefund unberücksichtigt. Durch den in Prosa formulierten Zusatz „Ausschluss KHK CAD-RADS 0, Vorhofthrombus“ geht diese wichtige Diagnose nicht unter und es kann sich eine Therapie anschließen. Vor diesem Hintergrund erscheint mir eine kurze Zusammenfassung des strukturierten Befundes sehr wichtig, um Fehler mit diesem neuen Instrument der Kommunikation zu vermeiden.

Dr. Pinto dos Santos: Dem würde ich absolut zustimmen. Wir als AG IT haben etwa in den DRG-Befundvorlagen zum Beispiel immer einen Platz für Freitext in der Beurteilung gelassen. Die für die Fragestellung wichtigen Dinge sollte man möglichst strukturiert erfassen, aber es muss natürlich auch immer Flexibilität gegeben sein. Sei es, um etwas in einer Beurteilung einzuordnen oder auch, um wichtige Nebenbefunde im Befundteil zu erfassen.