Interview mit dem aktuellen und ehemaligen Vorsitzenden der AG Herz- und Gefäßdiagnostik

"Ausruhen auf dem Erreichten führt zwangsläufig zur Ausgrenzung"

Der ehemalige Vorsitzende der AG, Prof. Dr. Matthias Gutberlet (Leipzig), und der Vorsitzende für die Amtsperiode 2016/17, Prof. Dr. Joachim Lotz (Göttingen), blicken auf die jüngste Entwicklung der AG zurück und erläutern, vor welchen Herausforderungen die kardiovaskuläre Bildgebung in den kommenden Jahren steht.

Die AG Herz- und Gefäßdiagnostik zeigt eine äußerst dynamische Entwicklung. Was sind aus Ihrer Sicht die Highlights der letzten beiden Jahre?

Prof. Dr. Matthias Gutberlet (Leipzig) Gutberlet: Auf jeden Fall die Mitgliederentwicklung, die sich in den letzten beiden Jahren ja nahezu verdoppelt hat, was sicher auch auf die Einführung der Zertifizierung zurückzuführen ist, die ja nicht ganz unumstritten war innerhalb der DRG. Dieser Zuwachs ist vor allem auch ein Zuwachs bei den Radiologen in der Weiterbildung, d. h. das Zertifizierungssystem und die Beschäftigung mit der kardiovaskulären Bildgebung ist vor allem für junge Radiologen interessant. Das stimmt mich sehr optimistisch für unser Fachgebiet.

Lotz: In den letzten vier Jahren haben wir vor allem Strukturen geschaffen, die unsere Qualifikation in der Herzbildgebung nach innen und außen dokumentieren. Dazu gehört natürlich das Zertifizierungssystem, inklusive des von Prof. Dr. Gutberlet federführend aufgebauten MR/CT-Registers, aber auch die gerade eingeführte Lehr- und Lernplattform der DRG. Diese Strukturen sind wichtig für die nächsten Schritte: die Förderung der wissenschaftlichen Präsenz in der Herzforschung, die strukturierte Kooperation mit den herzbezogenen klinischen Disziplinen und den Dialog mit den Krankenkassen zusammen mit dem Berufsverband.

Im Vergleich zur muskuloskelettalen oder der onkologischen Bildgebung ist die Zahl der Untersuchungen in der kardiovaskulären Bildgebung eher gering. Wie erklären Sie sich, dass die AG Herz- und Gefäßdiagnostik bei den Mitgliedern der DRG trotzdem einen so großen Zuspruch erfährt?

Prof. Dr. Joachim Lotz (Göttingen) Lotz: Wir sehen ja ganz klar die Diskrepanz, dass die kardiale MRT und die kardiale CT zwar längst in der Routine angekommen sind, diese vergleichsweise aufwändigen Untersuchungen aber im deutschen Gesundheitssystem nicht annähernd adäquat vergütet werden. Die Erwartungen sind hoch, dass sich das in absehbarer Zukunft ändert. Das empfinden viele so und wollen vorbereitet sein. Zudem stärkt die Zertifizierung die Position gegenüber den klinisch fokussierten ärztlichen Kollegen, gegenüber den informierten Patienten aber auch gegenüber den kaufmännischen Verhandlungspartnern bzw. den Verwaltungen im Bereich der Krankenhäuser.

Gutberlet: Es ist ein wissenschaftlich hoch spannendes Gebiet, das vor allem auch noch ein großes Potential für eine bessere Patientenversorgung bietet. Auch der Wettbewerb mit den Kollegen aus der Kardiologie spornt sicher an.

Vor welchen Herausforderungen sehen Sie die kardiovaskuläre Bildgebung in den kommenden Jahren?

Gutberlet: Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir ausreichend viele junge Kollegen in diesen spannenden Techniken und in der klinischen Beurteilung kardiovaskulärer Krankheitsbilder qualifizieren. Insbesondere die kardiale CT wird in den nächsten Jahren mehr und mehr in der Notaufnahme Einzug halten. Wenn wir da nicht genügend gut ausgebildete und am besten auch zertifizierte Radiologen für eine 24/7 Bereitschaft zur Verfügung stellen, werden andere dies für uns übernehmen.

Lotz: Die Radiologie produziert immer mehr quantitative Messergebnisse. Daher müssen wir uns der Herausforderung einer intensiven Qualitätskontrolle unserer Messwerte stellen. Das ist vielleicht eine der größten strukturellen Herausforderungen der Radiologie, die perspektivisch mit der Einführung von computergestützten Befundsystemen verknüpft ist. Da die kardiale Diagnostik seit langem quantitative Daten produziert – denken Sie an die Herzvolumina als Standardbestandteil des Herzbefundes – sind wir hier besonders gefordert. Zeitgleich müssen wir dafür sorgen, dass neue Erkenntnisse in der Herz- und Gefäßmedizin auch weiterhin breit in die radiologische Gemeinschaft getragen werden. Nur so können wir sicherstellen, dass wir die neuen Behandlungskonzepte der Medizin verstehen. Beispiele hierfür sind die organübergreifenden Regulationssysteme von Herz-Skelettmuskel-Gehirn aber auch die für uns Radiologen auf den ersten Blick nicht unbedingt eingängigen Konzepte der Systemmedizin. Mit der Lehr- und Lernplattform, aber auch mit den Online-Kursen der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie sind wir für diese Aufgabe gut gerüstet. Je komplexer das Fachgebiet, desto notwendiger ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dass wir uns als Herz- und Gefäßdiagnostiker in einem hoch kompetitiven Umfeld bewegen, steht dem nicht entgegen. Wenn wir weiterhin bereit sind, unsere Kompetenz durch Fortbildung zu erhalten und auszubauen, werden wir auch ein wichtiger und akzeptierter Partner sein. Ausruhen auf dem Erreichten führt zwangsläufig zur Ausgrenzung.   

Welche zentralen Aufgaben sehen Sie vor diesem Hintergrund für die AG Herz- und Gefäßdiagnostik?

Gutberlet: Aus- und Weiterbildung ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Insbesondere in der kardialen CT, da sind wir im Vergleich zur kardialen MRT etwas im Hintertreffen, was sich auch an den Zahlen im Registry zeigt. Interdisziplinäre Teams werden immer wichtiger, insofern kommen wir an einer guten Zusammenarbeit mit den Kardiologen auf Augenhöhe nicht vorbei und das nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer und internationaler Ebene. Darum werde ich mich in meiner weiteren Eigenschaft als Präsident der ESCR bis 2017 noch intensiver kümmern.

Lotz: Wir werden weiter an den Strukturen der Qualitätssicherung, der Zertifizierung und der Fort- und Weiterbildung arbeiten. Darüber hinaus kümmern wir uns um eine höhere Präsenz der Radiologie in der wissenschaftlichen Arbeit und werden die Vernetzung der interessierten und aktiven Zentren durch gemeinsame Projekte fördern. Das gilt für die Herzbildgebung, aber noch viel mehr für die nicht-invasive Gefäßbildgebung. Der Vorstand der AG hat dies als einen besonderen Schwerpunkt definiert, der von Herrn Prof. Dr. David Maintz aus Köln vertreten wird. Die Kooperation mit den Fächern der Herzmedizin ist essentiell und muss von uns mutig, aber mit Augenmaß weiter entwickelt werden.